Nicht alles Digitale macht für Albert Tanner Sinn. Mit sozialen Medien wie Facebook werde der 65-Jährige aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden nie warm, erklärt er: "Doch es gibt auch viel Nützliches im Web."
Bereits früh hat Tanner das Internet entdeckt. "Schon von Berufs wegen", sagt er. Dabei musste der Mann mit dem grossen, grauen Bart nie stundenlang im Büro vor dem Computer-Bildschirm sitzen. Im Gegenteil. Über 30 Jahre arbeitete er als Bauer unter freiem Himmel. Doch gerade Schweizer Landwirte kennen sich mit dem Internet gut aus, weil der Bund schon seit 2000 verlangt, dass sie ihre Direktzahlungsanträge dort melden.
Mittlerweile hat Tanner die Bauerei hauptberuflich aufgegeben. Er führt mit seiner Frau eine Dorfbeiz. Seine Internet-Nutzung hat dabei nur zugenommen. "Ich verwende das Netz, um Amtsmeldungen zu prüfen. Oder politische Vernehmlassungen zu lesen", erklärt Tanner. Und für simple Alltagsaufgaben: Fahrpläne prüfen, Ticketbestellungen, Preisvergleiche, E-Mail. "Hätten wir Verwandte weit weg, in Übersee, würden wir im Internet auch Videotelefonie brauchen."
Noch intensiver braucht Peter Faesi das Internet, pensionierter Dozent für Literatur an der Fachhochschule St. Gallen. "Ich bin täglich eine knappe Stunde im Netz", erklärt der 67-Jährige. Fahrpläne, Telefonbücher hat er entsorgt. Genauso soll es bald seinem 5-bändigem Brockhaus gehen. "Das Internet ist einfach besser, um Sachen nachzuschlagen." Faesi holt im Web auch verpasste Tagesschauen nach; überspringt uninteressante Beiträge. "Digitales Fernsehen ist intelligenter", glaubt er.
Im Gegensatz zu Tanner verbringt Faesi auch viel Zeit auf Facebook. Auf seiner eigenen Page "Faesis frommen Spruch zum frohen Tag" veröffentlicht er Sätze wie: "Selbstgespräche sind noch kein Grund zur Sorge. Ernst wird es erst, wenn man dabei etwas Neues erfährt." Bis heute sind über 1000 solche Weisheiten zusammengekommen. Faesi sagt: "Mit Facebook bleibe ich mit Ex-Studenten in Kontakt, die auf der ganzen Welt zerstreut sind."
Faesi und Tanner sind keine Einzelfälle. Immer mehr ältere Menschen nutzen das Netz. Das hat eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Zürich und Senioren-Fachorganisation Pro Senectute gezeigt. Waren es im Jahr 2009 erst 38 Prozent der befragten Personen ab 65, die regelmässig das Internet verwendeten, sind es derweil 56 Prozent. Ein altersbedingter digitaler Graben tut sich heute bei Senioren erst ab 80 auf. Ab diesem Alter geben nur noch 38 Prozent an, mehrmals pro Woche im Internet zu sein. Geht der Trend weiter, wird auch in dieser Bevölkerungsgruppe bald eine Mehrheit online sein.
Ist das Leben ohne Internet für Ueli Tanner undenkbar geworden? Der frühere Bauer sagt: "Natürlich könnte ich ohne leben." Er würde weiterhin an die ihm wichtigen Infos kommen. Es wäre alles nur viel komplizierter. Und für Faesi wäre ein Leben ohne Facebook-Site schlicht und einfach weniger bunt. Und das nicht nur für ihn. Sondern auch für die 700 Facebook-Nutzer, die seine Seite abonniert haben, um Sprüche zu lesen wie: "Was meinen Sie als Unbeteiligter zum Thema Intelligenz?"